Jägerlatein und Städterlogik

«Weidmannsheil», ruft man in diesen Tagen den Jägern und Jägerinnen zu. Die Antwort lautet traditionell «Weidmannsdank.» Folgendes habe ich an einem sonnigen Herbsttag im Binntal im Wallis erlebt: Auf dem Wanderweg begegnete ich drei schwitzenden Jägern. Sie ziehen mit einem Kettenzug einen stattlichen Hirsch durch den unwegsamen Wald empor. Ein archaisches Bild: Männer, Wild und Wald - im rauen Zusammenspiel.

Doch gerade in diesem Moment kommt ein deutsches Paar vorbei – mit roten Gore-Tex Jacken, festen, sauberen Lederschuhen und einer gehörigen Portion Neugier. Als wären sie auf Sonntagspromenade in der Münchner Innenstadt und nicht im Wallis mitten in der Bergwelt. “Was machen Sie denn da?”, fragt der Deutsche. “Wieso schleifen sie das arme Tier durch den Wald hoch? Und was hat es denn am Bauch?” Die Frau verzieht angewidert das Gesicht.

Der Jäger antwortet ausser Atem im breiten Walliserdeutsch: “Dä isch gschosse cho.» “Was hat er?” “Gschosse cho”, erwidert der Jäger nochmals. Der Deutsche runzelt die Stirn und fragt: “Ist das eine Krankheit?” Die Frau weicht noch mehr zurück und versteckt sich hinter ihrem Mann. “Wier heji das Tier erlejid”, erklärt der Jäger. “Ja das Tier kann einem wirklich leid tun”, sagt der Deutsche ernst. Die Frau kommt wieder etwas hinter ihrem Mann hervor. “Nei, erlejid heji wers, erschosse, umgebrunge”, sagt der Jäger nun sichtlich verärgert. “Aber das können Sie doch nicht machen, so ein schönes, stolzes Tier. Sie haben diesen wunderbaren Gast des Waldes umgebracht. Sie sollten sich schämen!”, schnellt die Frau, wie eine Maschinenpistole, neben ihrem Mann hervor.

Der Jäger zuckt nur mit den Schultern. Die Frau gibt keine Ruhe: “Tiere haben ein Recht auf Leben, das haben Sie gefälligst zu respektieren. Wenn das jeder von uns machen würde, wo kämen wir da hin?» “Der hed nix gspiirt, der isch eifach bim ässe tod umkiet», meint der Jäger. “Ond wier lüege fer de Wald und fers z’Weld.» “Um die Tiere kümmern, dass ich nicht lache», ereifert sich die Frau. Ihr Mann doppelt nach: “Sie sollten sich schämen, hier an diesem schönen Ort so grausame Dinge zu tun!”

Und beide stampfen wutverbrannt davon. Ihre Schritte sind noch eine Weile zwischen den Bäumen zu hören. Der Jäger schüttelt den Kopf und sagt zu seinen Kollegen: «Mier sind vo hie, das isch scho immer so gsie.” Dann stemmen sie sich wieder in die Seile, und der Hirsch ruckt noch ein Stück höher den Hang hinauf. 

Ich gehe weiter, doch das Geschehene lässt mir keine Ruhe. In meinem Kopf sitzt das Paar etwas später im Hotel Adler, unter einem ausgestopften Steinbock und bei Kerzenlicht. Der Kellner serviert ihnen einen dampfenden Teller. „Hirschschnitzel, nach Art des Hauses“, sagt er. „Guten Appetit.“ Sie zögern kurz, schneiden dann das Fleisch, probieren – und schliessen die Augen. «Köstlich» seufzt die Frau. Der Mann nickt und sagt leise: „Wir essen es ja nur, töten könnte ich nicht.“ Vielleicht ist es auch genau so passiert –bei Jägergeschichte weiss man das ja nie so genau.

Doch ich verstehe die Menschen, die kein Tier töten möchten, und ich sehe zugleich die alte Tradition der Jäger. Beides folgt seiner eigenen Logik. Schön wäre es, solche Widersprüche auszuhalten – ohne zu verhärten, ohne zu verurteilen. Dann könnte man vielleicht sogar gemeinsam im Hotel Adler einen friedlichen Abend verbringen.

Ich meinti

Schön wäre es, solche Widersprüche auszuhalten – ohne zu verhärten, ohne zu verurteilen.

Schön wäre es, solche Widersprüche auszuhalten – ohne zu verhärten, ohne zu verurteilen.

Schön wäre es, solche Widersprüche auszuhalten – ohne zu verhärten, ohne zu verurteilen.

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